Kredit umschulden

Die meisten Kreditverträge sind derart ungenügend in ihren Ausführungen, dass Kreditnehmer ihnen jederzeit widerrufen können.

Das haben die höchsten europäischen Richter in Luxemburg in mehreren Urteilen vom 09.09.2021 (Az. C-33/20, C-155/20, C-187/20) explizit klargestellt.

Wenn demnach in Verträgen die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist oder notwendige Pflichtangaben nicht oder nur unzureichend gemacht wurden, dann ist ein Widerruf der Darlehen unbefristet möglich, sodass ein Verbraucher auch Jahre nach Abschluss eines Vertrages noch widerrufen kann. 

Widerruf als weitere Option für Entschädigung im Dieselskandal

Der Richterspruch ist besonders für Käufer eines Diesel-Autos interessant, die ihr Fahrzeug z.B. über die BMW Bank, die Volkswagen Bank, Audi Bank oder die Mercedes-Benz Bank finanziert haben, und Schadensersatzansprüche im Dieselskandal geltend machen wollen. Aber auch jede Finanzierung bei der eigenen Hausbank ist sehr wahrscheinlich von dem Urteil des EuGH betroffen. Ausnahmen sind lediglich Immobilienfinanzierungen, für die grundsätzlich andere Vorschriften gelten.

Die Vorteile des Widerrufs von Autokrediten

Bekanntlich bieten Autohäuser mit dem Erwerb gern auch einen Kredit zur Finanzierung des Autokaufs mit an, womit ein sogenanntes “verbundenes Geschäft” zustandekommt. Mit Widerspruch des Kredits löst ein Verbraucher nicht nur den Kreditvertrag auf, sondern kann zugleich das Auto an die Bank abgeben und bekommt im Gegenzug alle geleisteten Raten, inklusive einer möglichen Anzahlung zurück, und muss keine weiteren Raten oder Ablösungen mehr zahlen. Mit der Möglichkeit zum Widerruf des Finanzierungsvertrags kann folglich der gesamte Kauf rückgängig gemacht werden. 

Und es kommt noch besser: Die finanzierende Bank muss bei Widerruf den PKW zurücknehmen und kann von dem Käufer und Kreditnehmer allenfalls den linearen Wertersatz für die gefahrenen Kilometer beanspruchen. Dies bedeutet, dass die Banken den hohen Wertverlust eines Neuwagens in den ersten Jahren tragen – und nicht der Käufer. 

Im Hinblick auf den Diesel-Abgasskandal kann ein Widerruf des Darlehens somit eine einfache und erfolgversprechende Option sein, um sich von einem manipulierten Auto zu trennen.

Zu den Vorwürfen 

Die Europarichter stellen klar, dass neben den fehlerhaften Widerrufsbelehrungen insbesondere die Pflichtangaben der finanzierenden Banken unzureichend sind. Danach sind sie bei einem Verbraucherkredit zu folgenden Angaben im Darlehensvertrag verpflichtet:

• (1) es muss klar und deutlich angegeben sein, dass es sich um einen „verbundenen Kreditvertrag“ handelt und dass dieser Vertrag als ein befristeter Vertrag geschlossen worden ist
• (2) muss angegeben sein, dass mit der Begleichung des Kaufbetrages keine weiteren Zahlungen mehr fällig sind
• (3) ist die Angabe erforderlich, dass die Bank mit Ende der Verpflichtungen des Kreditnehmers die Pflicht zur Aushändigung des bezahlten Produkts hat 
• (4) der genaue Prozentsatz für den Verzugszins muss einfach zu finden angegeben sein, 
• (5) die Höhe der Verzugszinsen und die Berechnungsmethode zur Anpassung des Verzugszinssatzes müssen angegeben sein
• (6) die Häufigkeit der Änderung des Basiszinssatzes
• (7) Details zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung – d.h. die Methode für die Berechnung der Entschädigung, die bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fällig würde – muss klar und verständlich dargestellt sein
• (8) wesentliche Informationen über außergerichtliche Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren offen in allen Details 
• (9) Angaben zu Verfahrenskosten ( – d.h. ein bloßer Verweis auf eine Internetplattform oder ein anderes Dokument, in dem die genauen Modalitäten beschrieben sind, reicht nicht (mehr) aus)    

Mit “klar und verständlich” meinen die Richter für einen “normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher” leicht verständlich dargestellt. Der Verbraucher muss beispielsweise aufgrund der vorgefundenen Angaben in der Lage sein, den Verzugszinssatz leicht selbst zu berechnen. Eine pauschale Angabe des Verzugszinssatzes von z.B. “fünf Prozent über dem Basissatz” ist danach unzulässig.

Ist eine dieser Pflichtangaben missverständlich formuliert oder fehlt ganz, und wurde nicht nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt (siehe unten genannte Beispiele), kann der Darlehensvertrag widerrufen werden – auch weit über die 14-tägige Widerrufsfrist hinaus. 

Millionen von Kreditverträge jetzt widerrufbar 

Nahezu jeder Darlehensvertrag wird demnach widerrufbar sein, denn unzureichende Angaben dürften fast alle Banken in ihren Darlehensverträgen machen. Ausgenommen sind wie gesagt lediglich Darlehen zur Immobilienfinanzierung. Darüber hinaus werden infolge unzureichender Angaben weder das Widerrufsrecht verwirkt, noch wird es rechtsmissbräuchlich ausgeübt, so der EuGH weiter, sondern ist unbefristet möglich. 

Zur Vorgeschichte

Anlass, den EuGH anzurufen, waren gleich mehrere Rechtsfragen des Landgerichts Ravensburg zu Pflichtangaben von Darlehensverträgen bei finanzierten Autokäufen, die der Bundesgerichtshof zuvor wenig verbraucherfreundlich entschieden hatte – und die die Europarichter mit ihrem aktuellen Urteil korrigierten. Konkret ging es um Kreditverträge der BMW Bank, der Volkswagen Bank sowie der Skoda-Bank. 

Darin moniert der EuGH folgende Klauseln mit folgenden Wortlauten: 

„Nach einer Vertragskündigung werden wir Ihnen den gesetzlichen Verzugszinssatz in Rechnung stellen. Der jährliche Verzugszinssatz beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz.“

Im Formblatt "Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ den Wortlaut:

„Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt.“

Sowie in der Klausel zur sog. Vorfälligkeitsentschädigung den Wortlaut:

“Für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden kann die Bank eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Den Schaden wird die Bank nach den vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen berechnen, die insbesondere:

– ein zwischenzeitlich verändertes Zinsniveau,

– die für das Darlehen ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme,

– den der Bank entgangenen Gewinn,

– den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand (Bearbeitungsentgelt) sowie

– die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten berücksichtigen.“

Lassen Sie Ihren Darlehensvertrag kostenfrei anwaltlich prüfen

Wir begrüßen die deutlich verbraucherfreundliche Entscheidung des EuGH. Denn mit ihr eröffnet sich eine weitere Möglichkeit, angemessene Schadensersatzansprüche zu realisieren. Doch auch im Fall eines Widerspruchs geht ohne anwaltliche Unterstützung nichts, denn aller Rechtsprechung zum Trotz: Autobanken lassen ihre Kunden oft auch weiterhin mit ihren Ansprüchen abblitzen.

KAP Rechtsanwälte gilt als führende Kanzlei im Bank- und Kapitalmarktrecht. Sprechen Sie uns an – wir prüfen Ihre Ansprüche im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung und kümmern uns ggf. um alles Übrige.

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Der Bundesgerichtshof gibt Widerruf für Auto-Kreditvertrag statt.

Ist eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft, dann wird eine Widerrufsfrist erst gar nicht in Lauf gesetzt. Folglich kann ein fehlerhafter Kreditvertrag auch noch lange nach Vertragsabschluss widerrufen werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 27. Oktober 2020 entschieden (Az. XI ZR 525/19). 

In dem strittigen Verfahren hatte ein Kunde der FCA Bank ein Darlehensvertrag für die Finanzierung eines Fahrzeugs lange nach Ablauf der Widerrufsfrist widerrufen. Dies wollte die FCA Bank nicht anerkennen, da die Widerrufsfrist längst abgelaufen sei. Der BGH sah dies anders und gab dem Kläger recht, da dieser eine nicht passgenaue – und daher fehlerhafte – Widerrufsbelehrung erhielt, wodurch die Widerrufsfrist erst gar nicht anlief. Der Richterspruch kann in entsprechenden Fälle grundlegende  Konsequenzen nach sich ziehen. 

Folgen eines Widerrufs 

Widerruft ein Kreditnehmer – wie im Fall des Klägers – erfolgreich seinen Vertrag, wird der Kaufakt praktisch rückabgewickelt. Das heißt, dass der Kreditnehmer alle geleisteten Zahlungen zurückerhält und das Fahrzeug an die Bank übergibt.

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Wir begrüßen natürlich die Entscheidung des obersten Gericht Deutschlands. Im Fall eines Vorgehens empfehlen wir jedoch die Konsultation eines Fachanwalts für Bank- und Kapitalmarktrecht, denn ohne Prüfung und anwaltliche Vertretung ist ein Vorgehen gegen die Banken nicht sehr erfolgversprechend.

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